Häufig gestellte Fragen an …

… und Antworten von Prof. Eugen Rabine zur funktionalen Rabine-Methode

1. Was waren die Gründe, die Sie zur Entwicklung der funktionalen Methode angeregt haben?

Eine mir von Natur aus angeborene, seit der Kindheit tief ausgeprägte Faszination über die menschliche Stimme und wie sie von Menschen, besonders im Gesang, angewendet wird. Konflikte zwischen meinem Instinkt orientierten Wohlgefühl (intuitive Gesundheit) und der vermittelten ästhetisch basierten Stimmtechnik meines ersten Gesangslehrers, der dieses Wohlgefühl nicht in Betracht gezogen oder berücksichtigt hatte. Wegen des fehlenden Wissens des Lehrers konnten meine Fragen über die Stimme, die Stimmfunktion oder die von mir erlebten stimmorientierten Funktions- und Wohlfühlkonflikte meist nicht beantwortet werden, oft wurden sie sogar ignoriert oder für das Singen als nicht relevant abgelehnt.

Aus einem tief liegenden Wunsch und der Neugierde heraus, die Stimme als Funktion (Ursache und Wirkung) zu verstehen, begann ich schon 1961 wissenschaftliche und medizinische Bücher über die Stimmfunktion zu lesen. Es erschien mir immer logisch, dass die Stimme das Resultat von Funktionen ist. Um den resultierenden akustischen Stimmklang zu ändern, verlangt es einer Beeinflussung seiner Funktionen.

1964 habe ich folgenden Grundsatz formuliert: „Die Stimmlippen sind die zentrale Funktion der Phonation und jedes Stimmtraining bzw. jede Stimmentwicklung muss die Funktion der Stimmlippen und deren Gesundheit unterstützen und ihr dienen“. Seitdem ist dieser Grundsatz der Leitgedanke, welchem ich in meiner weiteren Suche nach objektiven und subjektiven Informationen über die Stimme, die Stimmkommunikation und dem Menschen selbst immer gefolgt bin. Dieser „Grundsatz“ ist immer noch der zentrale Punkt in der bis heute weiter entwickelten Rabine-Methode für funktionale Stimmentwicklung bzw. Stimmpädagogik. Funktionale Methoden oder funktionales Stimmtraining sind mittlerweile allgemeine und populäre Begriffe geworden. Die Rabine-Methode ist eine spezifische Methode, die sich von den vielen anderen abhebt.

2. Lässt sich das funktionale Gesangstraining ihrer Meinung nach mit anderen Lehrmethoden kombinieren?

Der Begriff „andere Lehrmethoden“ ist ein weitreichender Begriff. Er beinhaltet alle gegenwärtigen Lehrmethoden. Zur Beantwortung dieser Frage kann man drei weitere Begriffe kategorisieren:

a) Dressur: Training durch positive (Belohnung) oder negative (Ablehnung) Reize, um eine bestimmte vorgegebene und erwartete Reaktion bzw. Verhalten zu erzielen. Wird meistens bei Lebewesen mit geringer Intelligenz angewendet, z.B. wenn man einen Hund dressiert. (Pawlowscher Versuch)

b) Training: Bezieht sich auf andere Begriffe wie Schulung, Ausbildung, Üben usw. Es schließt einen Zusammenhang oder eine Beziehung zwischen Menschen bspw. einem Trainer oder Lehrer mit einem oder mehreren Schülern (Schulklassen, Sporttrainer, Gesangslehrer usw.) mit ein. Training beinhaltet ein vorgegebenes Ziel, das oft in einem vorgesehenen Zeitrahmen (Monate bis Jahre) abgeschlossen sein
sollte, wie z.B. ein Diplom, eine Berufsausbildung oder bestimmte Leistungsfähigkeiten.

c) Entwicklung: Auf den Menschen betrachtet umfasst Entwicklung auch andere Begriffe wie Entfaltung (sich entfalten), Entstehung (sich bilden), Wachstum (Entwicklungsmöglichkeit bzw. Entwicklungspotenzial), Mental- und Geistesentwicklung (sich selbst werden), usw.

Die drei oben genannten Lehrmethoden sind, je nach Wissen, Fähigkeit, Erfahrung und Zielen der Stimmtrainer oder Gesangslehrer, im Gesangsunterricht zu finden. Die Qualität jeder Methode liegt in den Kriterien, welche die Ziele des Lehrers untermauern.

a) Dressur: Wird angewendet um eine schnelle Wirkung (Eindruck) zu erzielen. Basiert auf einer vorgegebenen Klangästhetik mit geringen Differenzierungskriterien z.B. bei „Deutschland sucht den Superstar“, wo Teilnehmer innerhalb kurzer Zeit „dressiert“ werden, um bestimmte Stilrichtungen zu imitieren. Es wird nicht oder sehr selten nachgefragt welche kompensatorischen Aktivitäten, welche die Stimmfunktion und ihre Gesundheit stören, angewendet werden. Eine langfristige Schulung oder Training findet nicht statt. Eine positive Mental- oder Geistesentwicklung ist nicht verlangt. Eine oberflächliche „Show“ ist dominant.

b) Training: Die Unterrichtsbasis des Lehrers werden durch seine Kriterien gebildet, darum kann ein Lehrer im Prinzip nur vermitteln, was er selbst kennt und gelernt hat. Das Gesangstraining der meisten Lehrer basiert u.a. auf den folgenden Merkmalen,

1. Eine kulturell orientierte und von der Muttersprache geprägte vorgegebene Stimmästhetik. Größtenteils ist dies eine so genannte „persönliche Ästhetik“, die dem Individuum gegeben bzw. von anderen beigebracht wurde.

2. Die gesamten Musikschulungssysteme und ihre Ziele beeinflussen die Qualitätsmerkmale der Sänger- und Gesangslehrerberufe innerhalb ihrer Kulturstrukturen stark.

Die meisten Musikhochschulen sind auf Sängerleistung orientiert, nicht darauf, Gesangslehrer auszubilden. Sie bieten selten oder nie ein Diplom in Gesangspädagogik an. Sie folgen immer noch der alten, längst überholten Mythologie, dass aus einem bekannten Sänger ein guter Gesangslehrer werden wird. Das heißt, die meisten Gesangslehrer sind nicht als Gesangspädagogen ausgebildet.
Es wird nicht anerkannt, dass wir hier von zwei verschiedenen Berufen sprechen: Sänger und Gesangslehrer.

3. Wegen des fehlenden pädagogisch-methodischen Wissens und Trainings vermittelt der Lehrer Informationen meist durch die Anwendung seiner „sängerischen Persönlichkeit“ und der eigenen Stimmanwendung (Nachahmung = Dressur). Auch wird unter Gesangslehrern emotional nicht akzeptiert, dass die vermittelte Information u.a. deren Erziehung, Lebenserfahrung, Ausbildung, Eigenschaften und Konzepte der gelernten Stimmtechnik, positive und negative Berufserfahrung sowie deren Persönlichkeitsmerkmale wie Ethik, Moral und Wertestruktur (z.B.: positiv und negativ geprägte Einstellungen zu sich selbst und zur Umwelt) beinhaltet.

4. Die „individuelle Ästhetik“ ist eng mit der eigenen gelernten Stimmtechnik, dem Stimmklang, der Stimmleistungsfähigkeit und Stimmidentität des Lehrers verknüpft. Es ist diese Ästhetik, mit all ihren Vor- und Nachteilen, die Gesangslehrer ihren Schülern vermittelten.

c) Entwicklung: Das Ziel in dieser Art zu unterrichten liegt in der Gesundheit der Stimmfunktion selbst. Sie folgt dem Prinzip, dass eine gesunde Stimme eine schöne Stimme ist. Weitere Gesundheitsmerkmale sind Effizienz und Leistung. Das heißt, nur eine funktional effiziente Stimme kann mit geringem Energieverbrauch eine Hoch- und Dauerleistung mit enormen Differenzierungsfähigkeiten in allen Stimmparametern*, die eine präzise musikalisch-emotionale Kommunikation ermöglichen, erzielen.

Die akustische Stimme ist das Resultat der gesamten komplexen psycho-physiologischen Funktion „Mensch“. Das heißt, der Stimmentwicklungsprozess hat nicht eine vorgeschriebene kulturelle Ästhetik als Ziel, sondern bringt den Schüler bzw. dem Individuum mit seinem gesamten psycho-physiologischen und sensomotorischen Potenzial und seiner Persönlichkeit in den Fokus des Unterrichtens.

(*Stimmparameter u. a.: Klangqualität, Differenzierung in Klangfarbe, Tonhöhenumfang und Tongenauigkeit, Lautstärkeumfang und Lautstärkendifferenzierung (messa di voce, mezza voce), Geschwindigkeit, Legato- oder Staccatofähigkeit, deutliche Vokal- und Konsonantenartikulation, usw.)

Die Rabine-Methode befindet sich in der Kategorie „Stimmenwicklung“. Sie konzentriert sich auf das „Positive“ im Menschen und seiner gesamten Funktionen und nicht auf die Symptome die Störungen andeuten. Durch Selbstwahrnehmung wird der Sänger geleitet, sein eigenes Instrument (Körper) zu entdecken und die funktionalen Zusammenhänge und ihre rückwirkenden Funktionen zu erkennen. Diese sensomotorische Information (körperliche Wahrnehmung) leitet zu einem neuen mentalen Konzept bzw. einer neuen Denkweise. Wie der Sänger denkt, so singt er. Es ist eine ganzheitliche Methode. Sie bezieht sich auf alles wissenschaftliche und subjektive Wissen wie u.a. Physiologie, Biologie, Neurologie, Embryologie, Evolutionstheorien, Akustik, Psychoakustik, sensomotorisches Training, mentale Konzepte im Leistungstraining, Verhaltenstherapie und Verhaltenstheorien, Kommunikationswissenschaften, Gehirnforschung, Stimmforschung sowie alle Musikwissenschaften und den Reichtum der Musik- und Stimmgeschichte und subjektiv gesammelten Informationen, die von berühmten Sängern und Musikern aufgeschrieben worden sind.

Bei Anwendung dieser Methode wird ein ausgebildeter und qualifizierter Rabine-Lehrer den Sänger zu Folgendem leiten:

  1. Erkenntnissen über sein eigenes Entwicklungspotenzial,
  2. einer positiven stimmlich-geistigen Selbstentwicklung und Selbstentfaltung zu suchen (er entwickelt seine eigene Stimmtechnik auf Basis seines eigenen Instruments),
  3. der Unterstützung zu seiner Entwicklung von positiven Denkweisen als Basis seines Verhaltens zu sich selbst und seiner Umwelt und
  4. der Unterstützung allen positiven mentalen und geistigen Wachstums, das sich in der
    Persönlichkeitsentwicklung widerspiegelt.
    Das Hautberufungsziel dieses Entwicklungsprozesses ist, die Stimme und die Persönlichkeit des Sängers in Einklang zu bringen, sowie diesen Einklang ohne Angst in berufsorientierten Leistungen anzuwenden.

Diese Methode ist nicht kurzfristig zu meistern, sie lässt sich auch nicht in einem vorgegebenen Zeitraum verwirklichen, weil jeder Mensch anders lernt, jeder ist ein Individuum, und hat seine eigene Geschichte usw. Es ist eine Methode, eine Art zu Denken und ein Verhalten, die auf das Positive im Menschen gerichtet ist und sollte den praktizierenden Sänger bzw. den Lehrer ein Leben lang begleiten, weiter entwickeln und helfen.

In Bezug zu „anderen Lehrmethoden“:
1. Die meist begegneten Gesangstechniken liegen im „Training“ von Konzepten, oft aber mit Ansätzen von Dressur. Die dominanten Merkmale sind die Persönlichkeit und das dominante Kriterium ist die Ästhetik des Lehrers. Das primäre Kriterium des Lehrers ist, dass die Stimme „gut“ klingt. Der Schüler bzw. der Sänger und deren Stimmfunktion ist nicht der zentrale Punkt im Unterricht.

Wegen des fehlenden Wissens werden kompensatorische Muskelaktivitäten angewendet bis der daraus resultierende Stimmklang mit der Ästhetik des Lehrers übereinstimmt. Welche negativen Effekte solche Kompensationen auf die Stimmfunktion bewirken, wird nicht hinterfragt. Die resultierenden Begrenzungen in verschiedenen Stimmparametern werden oft dem fehlenden „Talent“ zugeschrieben
oder als die natürlichen Eigenschaften dieser Person angesehen.

Die Rabine-Methode als Entwicklungsprozess des gesamten (Stimm-) Instruments Mensch ist in direktem Konflikt mit den meisten Unterrichtsmethoden dieser Art. Unterricht, der eine „starr“ begrenzte Technik vermittelt, ist nicht als „Lehrmethode“ zu bezeichnen, weil eine Methode etwas Systematisches oder eine klare Einordnung und Kriterienstruktur in sich hat, die in einer solchen Dressur nicht zu finden ist.

Andererseits gibt es Lehrer, die wegen ihres starken Instinkts ihre gelernte Technik ständig modifizieren und versuchen Neues zu lernen, sodass sie ihren Schülern helfen können. Wo ein ehrlicher Austausch zwischen verschiedenen Meinungen existiert, entsteht die Möglichkeit, dass beide Parteien davon profitieren können. Merkmale eines guten Lehrers bedeutet, Offenheit, Neuem zu begegnen, sein eigenes Wissen in Frage zu stellen und zu prüfen, die Bereitschaft anders zu denken und die Unsicherheit, die dadurch entstehen könnte, zu ertragen. Solche Lehrer traditionell orientierter „Lehrmethoden“ können bestimmte ausgewählte Aspekte der Rabine-Methode integrieren. Aber ohne die kompensatorisch orientierte Vergangenheit komplett loszulassen, wird es nicht möglich sein, das volle Potenzial und die Ziele, die in der Rabine-Methode enthalten sind, zu akzeptieren oder zu verstehen.

An diesem Punkt scheitern viele dieser Lehrer. Am Anfang sind sie begeistert. Später, wenn begonnen wird einige Änderung in ihrem psychischen Wertsystem, das bis dahin mehr auf kulturelle Bestätigung von außen fixiert war, unter die Lupe eines in Richtung tiefer fundierten inneren Selbstwertsystems zu entwickeln, treten Unsicherheiten auf. Die Erkenntnisse über die immense Selbstverantwortung für sich und ihre Schüler, welche sie als „Lehrer“ tragen sollten, werden mit emotionaler Unsicherheit verbunden. Oft verlassen sie dann diesen Weg und kehren zu ihrer alt bekannten externen Sicherheit zurück.

2. Bei allen anderen Lehrmethoden, die einen holistischen Ansatz haben, welche die Entwicklung des gesamten Menschen als Zentrum ihrer Lehre haben, egal für welches primäre Ziel oder Anwendungsrichtung begegnen wir den gleichen Gesetzen des Körpers und des Geistes und sind deshalb mit der Rabine-Methode kombinierbar. Dies schließt auch alle Heilmethoden mit ein. Die Rabine-Methode ist nicht nur für Gesangs-und andere Stimmberufe geeignet, sondern wird auch in der Logopädie und Psychotherapie angewendet.

3. Wie reagieren Vertreter anderer Methoden auf Ihr Stimmtraining?

Je nachdem, in welcher der oben genannten Kategorie sich die Person befindet, kann das Reaktionen von extremem Hass und Ablehnung, die der Ausdruck von extremer Angst sind, bis hin zu Neugier und skeptischen Reaktionen sein.

Die meisten, die mit extrem negativen Emotionen reagieren, sind meiner Arbeit nie begegnet, haben nichts von mir gelesen und verstärken nur durch Gespräche mit gleich gesinnten Kollegen gegenseitig, was sie als Bedrohung sehen. Das sind rein emotionale Reaktionen, die den Grad der Intoleranz und Ignoranz zeigen. Wobei Neugier und Skepsis positive Reaktionen sind. Sie sind oft von ernst zu nehmenden Fragen begleitet und ein offener und sachlicher Austausch ist möglich. Diejenigen, die meine Arbeit beobachtet haben oder mit mir ins Gespräch gekommen sind, sind in der Regel interessiert und meist sogar sehr interessiert.

4. Gibt es auch Stimmen, welche die funktionale Gesangspädagogik kritisieren? Was wird kritisiert? Wie stehen Sie zu kritischen Meinungen?

Ja, es gibt Leute, die die funktionale Gesangspädagogik kritisieren. Als ich Anfang 1981 Vorträge über die Stimmfunktion gegeben habe, waren die Gesangslehrer in Deutschland größtenteils der Meinung, dass das Wissen über die Stimmfunktion hinderlich beim Singen lernen sei. Sänger sollten nicht viel Denken. Ich hatte sogar den Eindruck bekommen, dass in den 80er Jahren das Wort „funktional“ als Schimpfwort benutzt wurde. Nach der Gründung des Deutschen Gesangslehrer Verbandes (ich war einer der Gründungsmitglieder) in den 90er Jahren haben sich plötzlich mehr Lehrer als funktionale Lehrer bezeichnet. Es war in Mode gekommen. Leider hatten die meisten dieser Lehrer wenige Kenntnisse über die Stimmfunktion und ihre Bedeutung in der pädagogischen Praxis. Aber trotzdem war es ein kleiner Schritt in eine positive Richtung.

Immer noch haben es die Kritiker schwer die Tatsache zu akzeptieren, dass der Körper dem Stimminstrument entspricht (die Stimmlippen sind ein Teil des gesamten Körpers). Diese Meinung wird immer noch nicht nur bei Gesangslehrern, sondern, so ist mein Eindruck, auch unter manchen deutschen Phoniatern abgelehnt oder wenig berücksichtigt. Der Grund für diese Ablehnung ist im Prinzip einfach: Es zu akzeptieren, dass der gesamte Körper neurophysiologische Zusammenhänge mit der Atmungs- und Stimmfunktion hat, würde auch verlangen, dass sie ihre ästhetischen und vereinfachten Stimmtechniken in Frage stellen oder erweitern oder noch schlimmer, aufgeben müssten.
Solche Personen würden lieber ihre durch Nachahmen, und besonders durch vereinfachte Resonanzkonzepte, die mit kompensatorischen Muskelaktivitäten verbunden sind und schon längst in der Wissenschaft abgelehnt wurden, beibehalten. Je mehr ein Lehrer subjektiv und ästhetisch orientiert ist, desto schwerer ist anzufechten was er tut, weil alles in der undefinierbaren Welt von Emotionen und Glauben bleibt.

Ein anderer Kritikpunkt ist die Doppelventilfunktion, die ein Grundstein meiner Stimmtheorie und Methode ist. Dass die Doppelventile (Einatmungsventil = Stimmlippen, Ausatmungsventil = Taschenfalten) existieren steht nicht in Frage. So weit so gut. Das Problem entsteht in den extremen neurophysiologisch-psychosomatischen Zusammenhängen zwischen vielen verschiedenen Körper- und Gehirnfunktionen, die diese Ventile beeinflussen. Dies sind sehr komplexe Informationen und nicht einfach jemandem zu erklären, der nicht ein Grundwissen über Anatomie, Physiologie und Neurologie besitzt. Die Zusammenhänge durch Körperübungen und ihre Wirkungen auf die Stimmfunktion zu zeigen sind einfach. Die meisten werden durch diese Übungen deutlich etwas erleben, können aber trotzdem die funktionalen Zusammenhänge in ihrem eigenen Körper nicht begreifen und glauben. Aber auch hier kommen seit Mitte der 90er Jahre mehr und mehr Artikel und Informationen auf den Markt und der Widerstand diesen Gedanken gegenüber wird immer geringer.

Was von den meisten Gesangslehrern kritisiert wird, ist der holistische Ansatz. Dieser Teil der Methode trifft die stärkste emotionale Ablehnung und das aus gutem Grunde, weil es die Erkenntnis fordert, dass u.a. (und hier ist die Liste kurz gehalten):

  • ein Sänger keineswegs ein qualifizierter Gesangslehrer ist,
  • er als Sänger ausgebildet ist,
  • ein Lehrer als Gesangslehrer ausgebildet werden muss,
  • viel Wissen verlangt wird, das außerhalb der musikalischen Gesangsnotenwelt liegt,
  • grundlegende Weiterbildung in Pädagogik, Methodik und Didaktik verlangt wird,
  • Wissen über Anatomie, Physiologie, Neurologie, Akustik und andere Wissenschaften verlangt wird,
  • Wissen über sensomotorisches Lernen verlangt wird,
  • Wissen über Emotionen, emotionale Kommunikation, psychisches Vorgehen, Verhalten eines Individuums usw. verlangt wird,
  • eine völlig neue Art des Unterrichtens: leiten durch Fragen statt sagen, was man tun oder empfinden „muss“,
  • das funktionale Hören, Sehen und Mitempfinden entwickelt wird
  • eine genaue und definierbare Terminologie : ein Wort = eine Definition, entwickelt wird,
  • sich der Lehrer über seine Stimmanwendung und Körpersprache bewusst ist,
  • der Lehrer die Wirkung von jeder angewendeten Übung versteht,
  • der Lehrer die emotionale Codierung in Stimmklängen erkennt und diese Information in die Literatur übertragen kann,
  • der Lehrer die Verantwortung dafür übernimmt und auch akzeptiert, was und wie er unterrichtet,
  • der Lehrer sich selbst als ein lebendiges Beispiel für seine Schüler sieht
  • die vermittelte Information starke Einflüsse auf den Schüler in Bezug zu Ethik, positivem Denken, Selbstverantwortung, Selbstentwicklung und Selbstentfaltung ausübt. Alles in allem: er prägt die Persönlichkeit des Schülers.
  • der Lehrer akzeptiert, dass der Sänger die Rechte als Besitzer an seinem Instrument hat.
    Diese Grundaspekte der Rabine-Methode verlangen von den meisten derzeitigen Gesangslehrern zu viel.

Wenn kritische Meinungen logisch und sachlich begründet sind, präsentiert in einem offenen Dialoge mit gegenseitigem Respekt zwischen den Kommunikationspartnern, dann sind kritische Meinungen eine Bereicherung für den Gedankenprozess und bringen meistens neue Perspektiven und Blickwinkel zu einem gegebenen Thema. Solcher Austausch von Gedanken und Informationen sind notwendig für die Weiterentwicklung des Individuums. Im vierjährigen Aus- und Fortbildungsprogramm für Gesangslehrer und dem vierjährigen Fortbildungsprogramm für Logopäden liegen die Betonungen ständig auf der Formulierung von Fragen, dem Meinungsaustausch und kritischen Diskussionen zwischen den
Teilnehmern untereinander und mit der Leitungsgruppe. Dieser Austausch wird regelmäßig praktiziert. Die meisten Teilnehmer haben andere Stimmtechniken gelernt, sowie oft andere Stimm- oder therapeutische Methoden studiert. Es ist nicht adäquat, nur die Rabine-Methode zu verstehen, sondern es liegt in unserer Verantwortung, die vielen anderen Stimmtrainingstechniken auch zu verstehen. Wir können nicht erwarten, dass ein Lehrer oder Sänger der herkömmlichen Techniken unsere Ansätze versteht, aber wir sollten fähig sein, ihre Ansätze zu verstehen (oft besser als der Lehrer selbst). Dies ermöglicht eine Kommunikation zwischen einem Rabine-Lehrer und anderen Lehrern. Wichtig ist, dass ein Rabine – Lehrer lernt seine Gedanken so zu formulieren, dass kein persönlicher Angriff oder negative Bewertung während des Austausches entsteht. Definierbare Terminologie und sachliche Informationen oder Fragen bilden die Basis der Diskussion. In der weiteren vierjährigen Fortbildung zum Rabine- Supervisor wird verlangt, dass die Teilnehmer sich wirklich kritisch mit dem Gelernten auseinandersetzen.

Der Grundgedanke ist:
Nehmen Sie nichts was ich sage oder tue als die absolute Wahrheit, stattdessen prüfen sie alles selbst nach. Nur das was Sie in ihrer Kenntniswelt als wahr empfinden, ist wahr. Nur das, was Sie als wahr erkennen können Sie lehren. Manche meiner Mitarbeiter sind schon seit über 20 Jahren bei mir in ständiger Weiterbildung. Sie haben sich auch mit anderem wissenschaftlichen Material beschäftigt (es gibt so viele neue Informationen), sie haben neue Fortbildungen in verschiedenen Therapien gemacht, usw. Sie sind gewohnt, ständig neue Ideen, Gedanken und Information in kritischem, sachlichen Austausch mit ihren Kollegen und mit mir zu haben. Wir alle und besonders die Rabine-Methode profitieren davon.

5. Woran wird am deutlichsten eine Entwicklung sichtbar, wenn Schüler von anderen Lehrmethoden zum Funktionalen wechseln?

  • verbesserte Selbstwahrnehmung und erhöhte Neugierde über ihr eigenes Instrument,
  • erhöhte Freude an ihren Stimmen, dass Singen wieder Spaß macht,
  • viel Lachen, mehr Selbstakzeptanz und weniger Ängste,
  • erhöhte Freude am Experimentieren (Üben) mit ihrem Instrument und ihrer Stimme,
  • erhöhtes Selbstbewusstsein, das in der Stimme hörbar und in der Körpersprache sichtbar wird

6. Wie erfolgreich hat sich das funktionale Stimmtraining bereits an Musikausbildungsstätten durchgesetzt?

Rabine-Lehrer sind

  • in vielen deutschen Musikschulen beschäftigt
  • an mehreren deutschen Musikhochschule beschäftigt, entweder als Gesangsprofessoren oder verantwortlich für Anatomie-, Physiologie-, Akustik-, Methodik- und Pädagogik-Klassen
  • als Musiker und Chorleiter in Kirchen oder als Chorleiter in Vereinen tätig, einschließlich Kinderchöre
  • als Gesangprofessoren an der Musikhochschule Istanbul
  • als Gesangsprofessoren an zwei Musikhochschulen in Boston, USA.
  • als Gesangsprofessoren an der Musikhochschule Buenos Aires, Argentinien
  • als Gastdozent an verschiedenen Musikhochschulen in Taiwan
  • als private Lehrer in USA, Argentinien, Spanien, der Türkei, Israel, Schweden, England, der Schweiz, Österreich, Brasilien

© Rabine-Institut
Walheim, 01. Mai 2009

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