Laryngeale Doppelphonationsfunktion (LDPF)
Das „funktionale“ Prinzip der phylogenetisch primären Sphinkter- bzw. Ventilmechanismen ermöglicht eine neue Zuordnung der korrespondierenden Phonationsmechanismen. Unsere vergleichenden Videoanalysen von endolaryngealer Primär- und Sekundärfunktion [können zunächst natürlich nur die altbekannte Tatsache wiederholen, dass die physiologische Stimmgebung der glottischen Funktionsebene zuzuordnen ist. Formuliert man nun aber deren Korrespondenz zum einatmungsgesteuerten Unterdruck-Ventilmechanismus, wird über die Kombination mit thorako-petalen Bewegungsmustern ein neuer Zugang zur physiologischen Phonation sichtbar, der sowohl für die Sprecherziehung und Gesangspädagogik einerseits wie auch für die Stimmtherapie andererseits eine methodische Systematik und gezielte Trainierbarkeit eröffnet.
Das „funktionale“ Prinzip der phylogenetisch primären Sphinkter- bzw. Ventilmechanismen ermöglicht eine neue Zuordnung der korrespondierenden Phonationsmechanismen. Unsere vergleichenden Videoanalysen von endolaryngealer Primär- und Sekundärfunktion [können zunächst natürlich nur die altbekannte Tatsache wiederholen, dass die physiologische Stimmgebung der glottischen Funktionsebene zuzuordnen ist. Formuliert man nun aber deren Korrespondenz zum einatmungsgesteuerten Unterdruck-Ventilmechanismus, wird über die Kombination mit thorako-petalen Bewegungsmustern ein neuer Zugang zur physiologischen Phonation sichtbar, der sowohl für die Sprecherziehung und Gesangspädagogik einerseits wie auch für die Stimmtherapie andererseits eine methodische Systematik und gezielte Trainierbarkeit eröffnet.
Der wesentliche Unterschied zu den genannten primären Ventilmechanismen besteht nun allerdings darin, dass bei der Phonation kein so fester, geschweige denn maximaler Glottisschluss erfolgt, sondern eine intentional differenzierte und überaus sensitive Schließung der Stimmlippen mit dem Ziel einer optimalen Schwingungsfähigkeit.
Unsere vergleichenden Videoanalysen belegen darüber hinaus, dass auch dem supraglottischen Ventilmechanismus eine phonatorische Korrespondenz zugeordnet werden kann. Normaler Weise bleiben bei der physiologischen Phonation die Taschenfalten ebenso passiv wie bei der einatmungsgesteuerten Stimulation des korrespondenten glottischen Ventilmechanismus. In der phoniatrischen Praxis sehen wir jedoch, bereits laryngoskopisch leicht erkennbar, vielfach offenkundige supraglottische Phonationsaktivitäten, aber ausschließlich bei pathologischer Glottisfunktion. Systematische Studien haben diese Beobachtung bestätigt, und zwar in der Ausprägung hochsignifikant abhängig vom Grad der glottischen Pathophysiologie und durchaus auch seitenspezifisch. Das Maximum wäre eine Verlagerung der Stimmgebung auf die supraglottische Ebene, z. B. als Taschenfaltenphonation.
Funktionell scheint es sich demnach bei der supraglottischen Phonationsaktivität um eine Kompensation zu handeln. Hierauf verweist nicht nur die systematische Abhängigkeit vom Grad der glottischen Pathophysiologie, sondern in Umkehrung auch die ebenso systematische Reduktion der supraglottischen Mitaktivierung durch eine effektive therapeutische Kräftigung der glottischen Funktion.
Parallel zu diesem – wohlgemerkt indirekten – Abbau der phonatorischen Kompensation reduzieren sich zugleich subjektive „Mißemfindungen im Halsgebiet“, wie sie in naturgemäß unterschiedlichem Ausmaß geradezu regelhaft von stimmgestörten Patienten als Beschwerden angegeben werden: Globus, funktionelle Verschleimung und Räusperzwang, Trockenheit und Hustenreiz bis hin zu Muskelkater-artigen „Halsschmerzen“, entweder paralaryngeal oder auch zum Mastoid ausstrahlend.
Laryngeale Verschleimung und „Halsschmerzen werden noch viel zu häufig und undifferenziert als „Bronchitis“ fehlgedeutet, entsprechend medikamentös (fehl)behandelt und z. B. in den Krankschreibungsstatistiken der Krankenkassen unter „Atemwegserkrankungen“ subsummiert statt unter phoniatrisch abzuklärenden Stimmstörungen.
Dieser Komplex paralaryngealer Parästhesien ist – unabhängig von der Symptomkombination und -ausprägung im Einzelfall kennzeichnende Symptomatik der phonatorischen Kompensation, nicht der stimmlichen Grunderkrankung.
Die nun systematische, entwicklungsgeschichtlich basierte Zuordnung der physiologischen Stimmgebung zur glottischen Funktionsebene führt fast zwangsläufig zur weiteren Schlussfolgerung, primär auch dort bei pathologischer Stimmfunktion deren Ursache zu suchen, als Grunderkrankung zu definieren, zu kategorisieren und gezielt zu therapieren.
Die eigenen, jahrzehntelangen kritischen Überprüfungen einer Unzahl von phonoskopischen Befunden und umfangreichen diagnostischen und therapeutischen Erfahrungen haben durchweg unsere ursprüngliche Arbeitshypothese bestätigt, dass die Erkrankung der Glottisfunktion offenbar ausnahmslos neben der Stimmklangveränderung mit einer Reduktion von stimmlicher Dynamik, Leistungs- und Belastungsfähigkeit verbunden ist, es sich also aus funktioneller Sicht oberbegrifflich generell um eine Hypofunktion handelt. Dies scheint unabhängig von der jeweiligen Ursache zu gelten, sei sie strukturell-organisch (Inkompetenz), funktionell (Insuffizienz) oder – als individualpsychologisch konkret und plausibel definierbare nosologische Kategorie – psychosomatisch bedingt.
Muss man nun mit dieser „Hypofunktion“ stimmlich weiter agieren – und das ist angesichts aller heutigen sozialen und beruflichen Anforderungen an unsere Stimme eher der Regelfall -, ist dies ab einem gewissen Grad der glottischen Erkrankung und der jeweiligen stimmlichen Anforderung nur noch leistbar über die Zuschaltung der supraglottischen Kompensation. Deren phylogenetische Systematik entspricht – wiederum generell – dem Funktionsprinzip einer Hyperfunktion, ableitbar nun aus der Korrespondenz zum ausatmungsgesteuerten Ventilmechanismus. Diese prinzipiell hyperfuntionelle phonatorische Kompensation mit dem typischen Engegefühl des supraglottischen Mechanismus dürfte verantwortlich sein für die paralaryngealen Parästhesien, die offenbar vielfach wegen ihrer subjektiven Lästigkeit erst Veranlassung geben zur fachärztlichen Untersuchung. Letztlich führt diese Kompensation aber über eine zunehmende Sprechanstrengung und – ohne effektive Therapie – über eine zusätzliche Minderung der Stimmdynamik und -leistungsfähigkeit in eine phonatorische Sackgasse bis hin zum Stimmversagen.
Dessen ungeachtet sei aber hervorgehoben, dass diese kompensatorische phonatorische Beteiligung nicht „falsch“ ist, vielmehr Ausdruck einer erkrankten Stimmgebung und individuell notwendig und momentan unverzichtbar zur Erfüllung der jeweiligen stimmlichen und sprecherischen Anforderungen.
Zusammenfassend wird unser evolutionsbiologisches Modell der Laryngealen Doppelphonationsfunktion plausibel, nachvollziehbar und überprüfbar. In Korrespondenz zur phylogenetisch primären „Laryngealen Doppelventilfunktion“ lässt sich auch für die organbezogene Sekundärfunktion der Stimmfunktion eine gleichartige Doppelfunktion glottisch vs. supraglottisch verifizieren: der glottische Mechanismus entspricht mit identischer einatmungsgesteuerter Systematik der physiologischen Stimmgebung mit den Stimmlippen als Effektoren.
Erkrankt die Glottis als Funktionssystem, resultiert unabhängig von der jeweiligen Genese eine stimmliche Leistungsminderung, eine oberbegriffliche Hypofunktion mit zudem einer mehr oder minder deutlichen Klangveränderung.
Muss man trotz dieser Funktionsschwäche weiter stimmlich agieren, wird ab einem kritischen Grad der Erkrankung und der Stimmanforderung zusätzlich das supraglottische Kompensationssystem der Taschenfalten und/oder der Ary-Epiglottis aktiviert mit seiner nun ausatmungsgesteuerten Systematik, dem generellen Wirkungsprinzip einer Hyperfunktion, dem subjektiven Engegefühl („Anti-Megaphoneffekt“; sängerisches „Forcieren“), den typischen Parästhesien im Halsbereich und einer zunehmenden Sprechanstrengung mit weiterer Leistungsreduktion bis hin zum intermittierenden Stimmversagen.
Regelkreissteuerung der Stimmfunktion
Ungeklärt blieb noch, wann und wie das stimmfunktionelle System zu kompensieren beginnt und somit auch das ausatmungsgesteuerte Funktionsprinzip aktiviert. Da die Zuschaltung der Kompensation unwillkürlich, offenbar über „interne“ Mechanismen erfolgt, war zur Erklärung eine biologische Regelkreissteuerung zu postulieren, analog beispielsweise zur Regelung unseres Hormonsystems. Ein solches Modell verlangt 2 Komponenten, eine zentrale, vermutlich subcortikale Regulation („Stimmzentrum“) und einen peripheren Messfühler mit spezifischen neuronalen Afferenzen und Efferenzen.
Auch wenn bislang die Steuerungszentrale noch unbekannt ist, darf man deren Existenz als gegeben annehmen. So brauchen wir nicht zu überlegen, wie viel Luft und welche Spannung der Stimmlippenmuskulatur zur Realisierung der Phonations-Idee benötigt werden, geschweige denn deren kurzfristige Änderungen beim Singen einer Koleratur. Geschwindigkeit, Präzision und bilaterale Symmetrie, Länge, Spannung, Masse und Stellung der Stimmlippen wären ohne eine solche zentrale Steuerung überhaupt nicht denkbar.
Es ist zwar aufgrund elektromyographischer Untersuchungen längst bekannt, dass je nach phonatorischer Aufgabe zwischen 150 bis 500 msec vor Einsetzen der akustisch registrierten Phonation neben der Inspiration und Tiefstellung des Kehlkopfs nun speziell auch die beteiligte laryngeale Funktionsstruktur über die efferenten Bahnen aktiviert wird („präphonatorisches Tuning“). Bekannt sind ebenfalls die afferenten Sensoren in Gelenken, Muskeln und Schleimhäuten im Kehlkopf und die sensomotorischen Repräsentationsareale der Hirnrinde, nicht jedoch das koordinierende und regulierende „Stimmzentrum“, wie immer es neurobiologisch strukturiert sein mag.
Analog zur Regelkreissteuerung des Sprechens ist zu vermuten, dass auch bei der Phonationssteuerung 2 Regelkreise existieren, einer zur Vorbereitung („präphonatorisches tuning“) und einer zur Ausführung der Phonation. Die führende modalitätsspezifische sensorische Rückmeldung erfolgt demnach präphonatorisch – wie generell bei Kontrolle körperlicher Motorik – ausschließlich taktil-kinästhetisch, phonatorisch zusätzlich und ergebnisorientiert über das auditive System.
Peripherer Messfühler der Stimmregulation
Sehr viel präziser und aus mehrfacher klinischer Evidenz auch sicherer sind unsere Kenntnisse über die Messfühlerebene des stimmregulatorischen Systems. Entscheidende Voraussetzung hierfür war zum Einen die Entwicklung des „Göttinger Heiserkeitsdiagramms (GHD)“ durch Physiker in unseren interdisziplinären Forschungsprojekten. Hierdurch wurde es möglich, sämtliche Stimmqualitäten zwischen normal und aphon 2-dimensional und quantitativ reproduzierbar zu messen. Die beiden Komponenten der Irregularität (x-Achse) und des additiven Rauschens (y-Achse) definieren die Stimmgüte, im pathologischen Fall das Ausmaß der auditiv-perzeptiven „Heiserkeit“. Zum Anderen konnten wir durch umfangreiche Studien belegen, dass dieses akustische Resultat in Hunderten von audiovisuellen Analysen ausnahmslos mit der Art des Phonationsmechanismus korrelierte, erwartungsgemäß nicht mit den Diagnosen.
Offenkundig ließ sich somit im Göttinger Heiserkeitsdiagramm die Qualität der Schwingungsfähigkeit der Phonationsstruktur als Korrelat der Stimmgüte abbilden und zusätzlich differenzieren nach den jeweiligen Werten für die beiden Konstituenten Irregularität (Schwingungsqualität) und additives Rauschen (vibratorische Schlussqualität). Je mehr deren Messwerte von der Normalität abweichen, umso stärker wird die auditiv-perzeptive Heiserkeit, umso mehr verschiebt sich die aktuelle Stimmgüte in Richtung, im Extrem bis hin zur Aphonie. Im Abgleich mit den zugehörigen phonoskopischen Videosequenzen unserer umfangreichen audio-visuellen Datenbank hat sich ausnahmslos eine hochsignifikante Korrelation der GHD-Messung mit der glottischen Funktion und allen ihren pathophysiologischen Veränderungen bestätigt: das GHD objektiviert das glottische Funktionsniveau, reproduzierbar quantifiziert über die jeweiligen Messwerte seiner beiden Achsen.
In einer weiteren Studie gelang zudem der Nachweis, dass das Ausmaß der supraglottischen Kompensationsaktivität wiederum hochsignifikant abhängig ist vom Grad der glottischen Pathologie bis hin zum kompletten Funktionsausfall der Glottis mit Verlagerung der Stimmgebung auf die Taschenfaltenebene.
Sämtliche Untersuchungen führen somit zur identischen Schlussfolgerung, dass die Glottisfunktion die Messfühlerebene des phonatorischen Regelkreises sein muss mit den Parametern der Schwingungsqualität und der vibratorischen Schlussqualität der Stimmlippen. Ist diese Messfühlerebene verändert, ist der gesamte Funktionsablauf verändert mit all seinen Teilkomponenten und dem Resultat einer Stimmklangstörung und phonatorischen Leistungsminderung.
Damit wird die Visualisierung der glottischen Funktion und die Beurteilung der Schwingungsqualität das zentrale Instrument für eine zielführende Stimmfunktionsdiagnostik und Therapieplanung. Erst der Einbezug von virtueller Stroboskopie oder – noch in der praxistauglichen Entwicklung – einer Echtzeit-Phonoskopie mit 4000 Bildern/sec. in das diagnostische Routineinventar ermöglicht eine unmittelbare Analyse der Messfühlerebene. Eine noch weithin bei Therapeuten übliche Hörbeurteilung bleibt für eine effiziente Therapieplanung dagegen unzureichend und dürfte kaum in der differentialdiagnostisch gebotenen Schärfe zwischen Funktion und Kompensation unterscheiden lassen.
Konsequenzen der Regelkreissteuerung für Diagnostik, Klinik und Therapie
Auch wenn mit der subcortikalen Regelungszentrale und der reflexmotorischen Efferenz wesentliche Komponenten neuroanatomisch noch nicht nachweisbar sind, darf die neurobiolgische Regelkreissteuerung der Stimmfunktion aus vielfältigen Gründen dennoch als gegeben und als unseres Wissens alternativlos angenommen werden.
Hierfür hat sich als eine der für uns entscheidenden Bestätigungen deren konsequent-kritische Anwendung in der täglichen stimmärztlichen Praxis erwiesen, beginnend mit der Diagnostik (A) der physiologischen, in Besonderheit aber der pathologischen Stimmfunktion und ihrer nosologischen Kategorisierung, einer ätiologisch orientierten, glottiszentriert-kausalen Differentialtherapie (B) und schließlich einer fachärztlichen Kontrolluntersuchung zur möglichst objektiven Bewertung der Effektivität (C). Über dieses routinemäßige „ABC“ unserer stimmärztlichen Betreuung lässt sich mit jeder neuen Untersuchung entscheiden, ob unsere zunächst theoretische Annahme A sich in der Praxis über B und C bestätigt oder eben nicht. Im letzteren Fall wäre wieder A differentialdiagnostisch zu überprüfen und einer inhaltlich-methodisch stringenten Therapie zuzuführen. Eine solche, in sich kontrollierte und das eigene Handeln kontrollierende Routine stärkt die fachspezifische Kompetenz und diagnostisch-therapeutische Sicherheit zum nachweislichen und in der Praxis erlebbaren Vorteil unserer Patienten. Hier bietet die These einer Regelkreissteuerung weitere Hilfen, sofern man sie für sein eigenes Vorgehen grundsätzlich akzeptiert und ihre 3 zentralen Konsequenzen beachtet.
1. Der diagnostische Zugang zur aktuellen Stimmfunktion hat sich prinzipiell an der glottischen Funktion als Messfühlerebene des stimmregulatorischen Systems zu orientieren, also an der Schwingungs- und vibratorischen Schlussqualität der Stimmlippen, ihrer pathophysiologischen Veränderung oder gar Aufhebung. Erst hieraus findet jegliche supraglottische Kompensationsaktivität ihre plausible Erklärung, so sehr sie auch subjektiv für den Patienten dominieren mag.
2. Ist die stimmfunktionelle Messfühlerebene pathologisch verändert, ist die gesamte Stimmfunktion verändert mit all ihren Teilfunktionen. Es resultiert eine Dysphonie mit einer Symptomkombination auf all diesen Teilebenen, sei sie organischer, funktioneller oder psychosomatischer Genese.
3. Ungeachtet dieser vielfältigen Symptomatik hat sich die Therapie primär auf die Korrektur der glottischen Pathophysiologie zu konzentrieren, nicht auf deren kompensatorische Reaktion oder auf Teilebenen wie Atmung oder Verspannungen. Ob die Glottis korrekturfähig ist und mit welchem methodischen Inventar, ist abhängig zu machen vom Ergebnis der phoniatrischen Diagnostik, nicht vom auditiv-perzeptiven Eindruck.
In diesem Zusammenhang ist der von Patienten, Ärzten wie Therapeuten häufig zu hörende Hinweis auf eine „falsche“ Stimmtechnik zu problematisieren. Die Vorstellung, man mache etwas falsch, suggeriert sofort eine eigene aktive oder bewusste Fehlerhaftigkeit, die bei der Phonation z. B. über Übungen zur Atmung, Wahrnehmung, Stimmsitz etc. zu korrigieren sei. Kritischer Indikator sind subjektive „Mißempfindungen“ (Parästhesien) als kennzeichnende Symptomatik der phonatorischen Kompensation. Gehen sie einher mit spezifischen Stimmproblemen wie Heiserkeit, Sprech- oder Singanstrengung, sollte auf jeden Fall eine Stimmfunktionsdiagnostik erfolgen, ob ursächlich eine glottische Pathologie vorliegt als Indikation zur Stimmtherapie. Ohne die Verbesserung der phonatorischen Messfühlerebene des stimmregulatorisch Systems wäre ansonsten die Kompensation und damit die „Mißempfindungen“ nicht zu reduzieren bzw. zu beseitigen.
Liegt keine glottische Pathologie vor, wäre eine sprech- und stimmtechnische Anleitung zu empfehlen in der individuell anlagemäßigen Stimmlage. Auch diese, für die Gesangspädagogik wichtige Zuordnung bedarf wiederum der Stimmfunktionsdiagnostik und hat zudem das physiologische Regelkreisprinzip der laryngealen Doppelphonationsfunktion nicht nur kennen und zu respektieren, sondern für die künstlerische Nutzung individuell zu optimieren.
Stimmfunktionsdiagnostik
Unsere konzeptionellen Ausführungen haben nun auch ihre Konsequenzen für die Stimmfunktionsdiagnostik. Sie hat sich im Kern auf die Bewertung der Meßfühlerebene des regulatorischen Systems, die Visualisierung und Analyse der glottischen Funktion mit den Parametern der Schwingungsqualität und des vibratorischen Schlussverhaltens primär der Stimmlippen zu zentrieren. Hierzu bedarf es unverzichtbar einer instrumentellen Schwingungsanalyse, wie sie unter üblichen Praxisbedingungen bislang nur mit der Stroboskopie leistbar ist.
Ohne eine solche Schwingungsanalyse ist keine hinreichende Funktionsdiagnostik des Kehlkopfes für eine effektive und funktionsorientierte Therapieplanung möglich. Dies gilt nicht nur für die individuell-optimale Therapie funktioneller Dysphonien, sondern gleicher Maßen für organische Stimmstörungen, z. B. die stimmverbessernde wie kurative Mikrochirurgie.
Diese Gewichtung der Stroboskopie setzt allerdings die genaue und bewusste Kenntnis ihrer methodischen Einschränkungen voraus, in Besonderheit ihrer nur virtuellen Bildgebung, der notwendigen und apparativ zu fordernden 1:1-Triggerung, der automatischen Verlangsamung der Blitzfrequenz gegenüber der zu untersuchenden Phonationsfrequenz und insgesamt einer prinzipiell lediglich qualitativen Bewertung. Die diagnostisch angemessene Bewertung ihrer Befunde verlangt deshalb eine hinreichende, unter qualifizierter Supervision erlernte Erfahrung.
So sehr also die Stroboskopie das zentrale und bis zur Ablösung durch die Hochgeschwindigkeits-Phonoskopie unverzichtbares Instrument zur Stimmfunktionsdiagnostik darstellt, bleibt sie ohne gleichzeitige Einbindung in ein umfangreicheres diagnostisches Set unzureichend für die Diagnosenfindung und Therapieplanung. Wie generell bei jeder medizinischen Diagnostik bedarf es auch hier zuvor einer sorgfältigen Anamnese und differenzierten Laryngoskopie.
Gibt es eine „Hyperfunktionelle Dysphonie“?
Definitionsgemäß müsste es sich hierbei um eine relative Über- bzw. Verspannung der Stimmlippen-Muskulatur handeln, die sich bei Ausschluss organischer Kehlkopf-Veränderungen stroboskopisch mit einer Verkürzung des Amplitude und reduzierter bis aufgehobener Randkantenverschiebung kennzeichnen lassen müsste, im Extrem mit völliger Aufhebung der glottalen Schwingungsfähigkeit.
Träfe dieses Konstrukt zu, wäre im Sinne unseres „ABC“ mit der dann konsistenten lokalen und gesamtkörperlichen Entspannungstherapie letztlich eine Normalisierung des subjektiven und laryngealen Funktionsbefundes zu erwarten. Eben dieses Ergebnis haben wir zuerst im Rahmen einer Diplomarbeit über diese Thematik nicht verifizieren können, vielmehr war bereits nach wenigen Entspannungsbehandlungen subjektiv wie objektiv die Stimme schlechter, instabiler und leiser; ein für Patienten wie Therapeuten verunsichernder Behandlungsverlauf. Hierzu korrelierte in der Kontroll-Stroboskopie das nun hypofunktionelle Schwingungsverhalten mit der Konsequenz einer entsprechenden Änderung der dann auch effektiven Stimmtherapie.
Selbst bei Stimmlippen-Knötchen, die ja definitorisch „hyperfunktionell“ bedingt sind und die im Übrigen im Erwachsenenalter ausschließlich bei Frauen vorkommen, hat sich in der Stroboskopie kein hyperfunktionelles Schwingungsverhalten verifizieren lassen. Betrachtet man im berühmten, bisher inhaltlich noch unübertroffenen Hochgeschwindigkeits-Film der Bell Telephone Laboratories die normalen Schwingungsveränderungen beim Aufwärts-Glissando, sind diese durch eine symmetrisch zunehmende Versteifung der lateralen Stimmlippenpartien und Verlagerung der Schwingungen hin zum Stimmlippenrand gekennzeichnet. Dieses Schwingungsmuster müsste bei einer „hyperfunktionellen Dysphonie“ bereits im höheren Sprechstimmbereich zu erwarten sein, was bei Knötchen aus unserer Sicht nicht der Fall ist.
Auch eine Vielzahl weiterer Analysen anhand unserer videophonoskopischen Datenbank bestätigen, dass die stroboskopische Konstellation von verminderter oder aufgehobener Amplitude und Randkantenverschiebung nicht per se gleichgesetzt werden darf mit der Diagnose einer „hyperfunktionellen Dysphonie“, allenfalls mit einer hyperfunktionellen Symptomatik. Letztere ist zumal bei einseitiger Ausprägung nicht nur ein differentialdiagnostisch sehr ernstzunehmender Hinweis auf Infiltration, sondern auch bei manchen organischen Dysphonien zu finden, speziell im Abheilungsprozess nach phonochirurgischen Massnahmen oder – bei Persistenz – als wohl mikrotraumatische Ursache von „postoperativen Dysphonien“.
Mit dem heutigen Wissen um die Laryngeale Doppelphonationsfunktion und deren Regelkreissteuerung haben wir nun auch ein evolutionsbiologisch fundiertes und in einer umfangreichen klinischen Praxis validiertes Argument für unsere bereits seit vielen Jahren vertretene Ansicht, dass eine „hyperfunktionelle Dysphonie“ als Diagnose nicht existiert mit allen Konsequenzen für deren immer noch gängigen Therapien und wiederum deren Effektivität.
Vielmehr dürfte es sich bei jeglicher „Hyperfunktion“ generell um ein kompensatorisches Phänomen mit dem subjektiven Korrelat der paralaryngealen Parästhesien handeln, das mit der auditiven Perzeption und der subjektiven Sprechanstrengung nicht hinreichend differenziert und folglich nach dem Regekreisprinzip auch nicht zielführend therapiert werden kann.
Funktionale Kehlkopf-Funktionsdiagnostik
- Phoniatrische Beurteilung der stimmregulatorischen Messfühlerebene
- Differenzierung zwischen Funktionsstörung und Kompensation
- Eindeutige diagnostische Zuordnung und Differentialdiagnostik
- Verständliche Befunderläuterung anhand der individuellen Videoaufnahme der Kehlkopffunktion
- Pathoätiologisch orientierte Festlegung therapeutischer Konsequenzen
- Für Patienten einsichtige und nachvollziehbare Therapieplanung
- Videodokumentierte Effektivitätskontrollen des Therapieverlaufs
- Zweitmeinung
Funktionale Therapie-Beratung
- Befundabhängige Erklärung der therapeutischen Optionen (konservativ, operativ, individualpsychologisch-psychosomatisch)
- Behandlung von Stimmlippen-Knötchen und anderen gutartigen Neubildungen
- Besprechung der Behandlungsorganisation und -dauer
- Zweitmeinung insbesondere vor sprech- und stimmriskanten Operationen (z. B. Schilddrüse, Herz, Halsgefäße, Kehlkopf)
- Zeitsparend effektive, zeitlich zumutbare Intensivtherapien
Kontakt:
Prof. Dr. Eberhard Kruse
Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie
(Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen)
Facharzt für HNO
Ehem. Direktor der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie
der Universitätsmedizin Göttingen
Privatpraxis in Göttingen:
HNO-Gemeinschaftspraxis Dr. J. Uffenorde und Koll.
Ärztehaus
Waldweg 1
37073 Göttingen
T: 0551 / 484488 (Terminvereinbarung)
(Dienstagvormittag)
Informationen unter www.uffenorde.de
Privatambulanz in Augsburg:
Berufsfachschule für Logopädie
Schulzentrum
Stenglinstr. 2
86156 Augsburg
T: 0821 / 44092-0 (Terminvereinbarung)
(Mittwochnachmittag und Donnerstag,
bei Bedarf auch Mittwochvormittag)